Heute möchte ich aus meiner Praxis erzählen um euch einen Blick in mein Tun zu geben.
Es ist schon etwas länger her, da hatte ich einen zweitägigen-Workshop mit einem Team von 8 Wissensempfängern. Das ist auch für mich etwas Besonderes, denn in der Regel begleite ich einen Wissensgeber und maximal 1 bis 2 Wissensempfänger. Doch in diesem Fall sind es deutlich mehr und das erfordert ein etwas anderes Vorgehen wie üblich.
Im Vorfeld hatte ich bereist, zwei Tage mit dem Wissensgeber verbracht und eine Wissenslandkarte erstellt, um seinen Wissensschatz sichtbar zu machen. Im Anschluss bei einem gemeinsamen Gespräch, mit seinem Vorgesetzten, stellte sich schon damals heraus, dass es wahrscheinlich mehr als 2 Wissensempfänger braucht, um das umfangreiche Wissen zu sichern und weiterzugeben. Ich hatte bereits darüber in einem Blogartikel: Wissenstransfer funktioniert nicht nach dem Gießkannenprinzip berichtet.
In dem Workshop ging es zum einen darum, die Wissensempfänger abzuholen und zu zeigen, was wir bereist gemeinsam erarbeitet haben und mit welchen Fragen wir uns momentan noch beschäftigen. Zum anderen, alle Personen an dem weiteren Prozess zu beteiligen, um eine gute Wissenstransfer-Atmosphäre zu schaffen.
Tag 1 – Aufteilung der Wissensgebiete
So haben wir uns an dem ersten Tag intensiv mit den zu übergebenden Wissensgebieten auseinandergesetzt. Dazu haben wir die Frage gestellt:
Welcher Wissensempfänger übernimmt welche(s) Wissensgebiet(e)?
In drei Gruppen haben sich die Teilnehmer die Wissenslandkarte noch mal genauer angesehen. Dazu haben wir die Wissensempfänger gebeten, die Wissensgebiete mit ihrem Namen zu versehen, die sie gerne übernehmen würden. Wichtig war uns an dieser Stelle auch zu verstehen, warum sie sich für das jeweilige Wissensgebiet interessieren. So durften die Wissensempfänger bei der anschließenden gemeinsamen Vorstellung erläutern, warum sie sich gerade für diese(s) Wissensgebiet(e) entschieden haben.
Zum Erstaunen aller verlief die Aufteilung der Wissensgebiete reibungslos – um nicht zu sagen, sehr harmonisch. Die einzelnen Wissensempfänger hatten sich jeweils sehr klar abgegrenzte Gebiete ausgesucht, und zwar so, dass es nur zwei Wissensgebiete gab, für die sich kein Wissensempfänger interessierte. Zudem gab es 3 Doppelbesetzungen von Wissensgebieten, für die sich zwei oder drei Wissensempfänger gemeldet hatten.
Das hätte viel komplizierter ausfallen können.
Im nächsten Schritt durften die Doppelbesetzungen in kleinen Gruppen mithilfe von ein paar Fragestellungen intensiv diskutiert werden.
- Ist es sinnvoll, diese Wissensgebiete mit maximal 2 Wissensempfängern zu besetzen?
- Wenn, ja. Warum sind Sie dieser Meinungen? Welche Vorteile ergeben sich daraus?
- Wenn, nein. Warum sind Sie dieser Meinungen? Welche Bedenken haben Sie?
In der anschließenden gemeinsamen Diskussion stellte sich raus, dass die Teilnehmer es für sinnvoll halten, zwei Wissensgebiete doppelt zu besetzen, und zwar in Form eines Tandems, wobei sich die beiden Personen die Aufgaben teilen, da es sich um sehr komplexe Wissensgebiete handelt, dass viel Expertise und Erfahrungswissen erfordert. Für das dritte Wissensgebiet stellt sich im Verlauf der Diskussion heraus, das dieses durch einen Wissensempfänger alleine übernommen werden kann. Auch für die beiden Wissensgebiete, für die sich zunächst kein Wissensempfänger finden konnte, hat die Gruppe eine Lösung finden können.
Zum Ende des Tags haben sich die Teilnehmer auf ein Vorgehen geeinigt, das vorsieht, dass sich jeder Wissensempfänger in den kommen 4 Wochen einzeln mit dem Wissensgeber trifft, um das weitere Vorgehen und den Umfang des Wissenstransfers zu besprechen. Dafür füllt jeder Wissensempfänger seinen Wissenstransferplan aus, der als Diskussionsbasis für das Treffen dient.
Tag 2 – Zeit für den Wissenstransfer schaffen
Am zweiten Tag haben wir uns mit der Frage beschäftigt:
Wie schaffen wir es, den Wissensgeber in der verbleibenden Zeit weiter aus dem Tagesgeschäft zu lösen, um ihm genügend Zeit für den Wissenstransfer einzuräumen?
In einem Gespräch hatte mich der Abteilungsleiter und die Wissensempfänger gebeten dieses Thema mit allen in der Runde zu besprechen, da sich der Wissensgeber schwer von seinen Aufgaben lösen kann und immer noch zu viel im Tagesgeschäft mitmischt, anstatt sich auf den Wissenstransfer zu konzentrieren.
Das ist ein nicht ungekanntes Phänomen. Viele der Wissensgeber haben Schwierigkeiten, loszulassen. In diesem Fall ist das nicht loslassen können besonders ausgeprägt, weil der Wissensgeber nach seinem Ausscheiden weiter für das Unternehmen in beratender Funktion tätig sein wird. Um das Loslassen von beiden Seiten zu betrachten, haben wir zunächst alle Bedenken gesammelt, die den Wissensgeber daran hindern könnten, sich dem Wissenstransfer stärker zu widmen.
In einem zweiten Schritt haben wir konkrete Vorschläge gesammelt, wie die Wissensempfänger den Wissensgeber beim Loslassen unterstützen können. Dabei ging es, möglichst einfache und pragmatische Lösungen zu finden, die sich leicht im Arbeitstag des Wissensgebers integrieren lassen.
Aus den Anregungen durfte sich der Wissensgeber 3 Vorschläge aussuchen, die er mithilfe von „Umsetzungspaten“ in den kommenden Wochen ausprobieren und in seinen Arbeitskontext implementieren möchte.
Zum Ende der beiden Tage haben wir uns auf ein sehr grobes Vorgehen geeinigt. Dieses zeigt, wie der Wissenstransfer im Groben in den kommenden 3 Jahren bis zum Ausscheiden des Wissensgebers ablaufen soll. Die Grafik, die wir dazu entwickelt haben, hilft allen, sich immer wieder bewusst zu machen, dass das meiste Wissen in den kommenden 1,5 – bis maximal 2 Jahren übergeben sein muss. Das dritte Jahr soll den Wissensempfängern dazu dienen, die Aufgaben sicher selbst auszuüben. Dafür steht ihnen der Wissensgeber noch mindesten 1 Jahr in der Rolle des Coachs zur Verfügung.
Mit diesem Workshop ist der größte Teil meiner Begleitung abgeschlossen. In den kommenden zweieinhalb Jahren bin ich (nur) noch in der Rolle des Coachs für alle Beteiligten tätig und am Ende mit einem Abschlussworkshop, um die Lessons Learned zu heben.