Die Tage hatte ich eine interessante Diskussion zum Thema „Kann man Wissen (überhaupt) transferieren“?
Während ich – unter bestimmten Voraussetzungen – für ein klares „nja“ plädierte, verneinte mein Gegenüber dies strikt – mit dem Argument: „Wissen, existiert nur in den Köpfen – austauschen lassen sich dagegen nur Informationen“.
Das ist für mich in der Beratungspraxis alles andere als eine leicht verdauliche Aussage – kämpfen ich doch z.B. tagtäglich gegen das Vorurteil, Wissen ließe sich ganz einfach mittels technischer Tools transferieren und ablegen… eben gerade mit dem Argument, dass es nicht nur um blanke Informationen, sondern im Kern eines jeden Wissenstransfers um eben jenes mysteriöse und doch so wertvolle Konstrukt „Wissen“ gehe – das wir – entsprechend der Idee der Wissenstreppe – als vernetzte und in Kontext gebrachte Information verstehen.
So versuchen ich, Rahmenbedingungen herzustellen, in denen genau das möglich ist. Mein Lieblingsbeispiel: Die Mutter, die ihrer Tochter (oder gerne auch ihrem Sohnemann ;-)) das Kuchenbacken beibringt: Das geschieht im Idealfall nicht mittels einer Zutatenliste und schriftlichen Backanleitung, sondern indem sich Mutter und Tochter gemeinsam ans Werk und dabei erfahrbar machen: „Wie muss sich der Teig anfühlen, wie vom Löffel fallen, welche Farbe haben, damit ich weiß, jetzt habe ich das richtige Verhältnis der einzelnen Zutaten“? „Wie riecht der Kuchen, wenn er fertig ist“? „Was ist Mutters kleines Geheimnis, damit der Kuchen besonders gut schmeckt?“ All das verstehen wir als multisensorisches Vermitteln von Erfahrungswissen – nicht als schlichten Austausch von Informationen.
Nun gut, einigen konnten wir uns darauf, dass das Wissen von Person A (=WA) sich nicht 1:1 auf Person B übertragen lässt, sondern hier immer in abgewandeltes Form (WA’) abgelegt werden wird – abhängig nämlich von vielen Faktoren, wie z.B. individuellen Interpretationen („Was kommt überhaupt an?) oder höchst subjektiven Kombinationen mit vorhandenem Wissen, Einstellungen, Erfahrungen … („Was mache ich daraus?“). Vielleicht zieht die Tochter gedanklich aus der Zutatenliste bereits ein Ei ab, weil ihr der Kuchen immer schon ein wenig zu fest war? Oder aber sie hat letztens in einer Zeitschrift gelesen, dass Safran den Kuchen besonders lecker macht – und schwupps, schon ist ein neues Rezept entstanden. Oder aber sie kann dieses Gefühl für den Teig selbst noch gar nicht entwickeln, weil ihr momentan die Handlungskompetenz noch fehlt und sie ihre Erfahrungen erst selber machen muss…?
Vielleicht, höchstwahrscheinlich ist eine Klärung dieser Fragestellung gar nicht möglich – handelt es sich doch im Grunde um ein rein theoretisches Konstrukt, um eine Frage der Benennung und der Sichtweise.
Und doch war diese Diskussion (abgesehen von ihrem hohen Unterhaltungswert) alles andere als nutzlos: Denn eine Erkenntnis durften wir in jedem Fall davon tragen: Wissen lässt sich tatsächlich nicht „transferieren“ zumindest nicht, wenn wir den Transfer im wörtlichen Sinne – also als die Verlagerung einer Sache von einem Ort an einen anderen – verstehen: Denn das Schönste am Wissen ist: Wenn wir es vermitteln, also an anderer Stelle neu aufbauen, bleibt es auf der bisherigen Seite nach wie vor bestehen. In diesem Sinne müsste man anstatt von „Wissenstransfer“ eigentlich von „Wissensmultiplikation“ sprechen.